Die Frage, Wer sind wir?, habe ich bereits in einer Blogpost am 05. Februar 2021 gestellt und eine Antwort umrissen, die in einer eMail-Diskussion als angeblich
unverständlich abgelehnt wurde, weil ich meine Quellen, d.h.
woher ich meine Gedanken bei berühmten Philosophennamen
abgestaubt, nicht angegeben habe. Durch dieses eingespielte
Flohhüpfen der nicht-denkenden Gelehrsamkeit hat man sich der
Anstrengung entledigt, auf dem Weg, auf dem ich auf sehr
einfache Phänomene hinweise, die jeder und jede versteht, zu
bleiben und nach-denkend mitzukommen. Oder bei mir nachzufragen,
damit ein Gespräch entsteht.
In einem weiteren Beitrag zur erwähnten eMail-Diskussion hat ein Teilnehmer folgendes geschrieben::
"Um Gleichheit und Solidarität empfinden zu können, dazu
bedarf es eines anderen seelischen Aufbaus. Den können aber nur
die pädagogisch wirksamen veränderten Sozialisationsbedingungen
erzeugen. Und wer soll diese herstellen, wenn er oder sie nur
einen vertikalen, inegalen ‚Gesellschaftsaufbau‘ in sich empfinden
kann? Also, das alte segregative „Wir“? Oder das dissoziale
libertaristische “Ich-Allein-ohne Euch“. Das fragt nach den
Wandlungs- und Entstehungsräumen, in denen das Neue und die Geburt
einer neuen Idee sich vorbereitet… "
Ich frage mich, wie es überhaupt heute noch möglich sein sollte,
von einem "seelischen Aufbau" zu
sprechen, der pädagogisch wirksam
erzeugt, hergestellt werden sollte. Dieser Ansatz behandelt die
Seele wie ein formbares Ding, das irgendwie gebaut werden
könnte. Für mein Denken gehört ein solcher Ansatz zu dem unbedingten
Willen zur Macht über jedwede Art der Bewegung (hier der
Sozialisationsbewegung). (NB: Dieser Gedanke ist allerdings
weder bei Heidegger noch bei Nietzsche zu finden. Darüber kann man ausführlich in meinen
verschiedenen Aufsätzen und Büchern — insbesondere in Social
Ontology of Whoness — nachlesen.) Insofern wäre der
Versuch, eine neuartige, nicht-autoritäre Seele pädagogisch zu
erzeugen, Teil des Problems, nicht Teil der Lösung.
Auch beim wohlbekannten "dissozialen
libertaristischen “Ich-Allein-ohne Euch“" muß ich nachhaken und
fragen, woher diese Dissoziation? Anscheinend sind 'wir' alle
in diesem Zeitalter einverstanden, daß 'wir' alle einzelne, vereinzelte Subjekte
sind, jeweils mit einem Bewußtsein und (optional) einem
Unbewußten als Innenausstattung. Davon geht sowohl jede moderne
Wissenschaft als auch der Alltagsverstand selbstverständlich aus.
Die Frage ist dann, wie diese so vereinzelten
Bewußtseinssubjekte mit ihrer jeweiligen Innerlichkeit
miteinander in einer Welt überhaupt assoziiert, d.h.
vergesellschaftet, werden können, damit sie nicht dissoziiert
bleiben? Oder vielmehr: die Subjekte werden so miteinander assoziiert, daß sie auch dissoziiert bleiben? Wird etwa ein Haufen Subjekte durch einen kollektiven
Willen kollektiviert? Durch ein kollektives Bewußtsein? Das sind bloß
hilflose Versuche, die Anomalien der Bewußtseinssubjektivität
durch eine irgendwie geartete Intersubjektivität zu
überwinden. Denn sie kommen zu spät: als Menschen teilen wir immer schon die Welt miteinander. Es kommt darauf an, das Menschsein selbst adäquat zu denken.
Im Alltagsleben liegt das Medium der Vergesellschaftung offen
zu Tage. Es heißt sozio-ontologisch der verdinglichte Wert,
oder platter und vorontologisch bekannter: Geld. Wohlgemerkt,
das Geld ist nur die eine kristalline Form des verdinglichten Werts, der beweglich und
verwandlungsfähig ist. Ohne das Medium des verdinglichten
Werts — vor allem in den verschiedenen Wertformen des Einkommens
— kämen alle von uns im Leben nicht aus. Eine
Trivialität? Eine bloß faktische
Selbstverständlichkeit? Oder aber ein bisher
vernachlässigter Anlaß, über unsere
Vergesellschaftung durchs Medium des
verdinglichten
Werts tiefer nachzudenken? Ohne das
Vergesellschaftungsmedium
des verdinglichten
Werts gäbe es auch
nicht das moderne
Individuum mit
seinem
Individualismus. Das Medium assoziiert, indem es gleichzeitig dissoziiert. So
wie die ältere Physik vom 19. Jh.
noch am Medium des unsichtbaren
Äthers hing, um mit Phänomenen der
physischen Bewegung in
wirkkausalen Bewegungsgesetzen
klar zu kommen, sind wir als
Subjekte der Gesellschaft durch
ein unsichtbares Medium
miteinander vergesellschaftet.
Warum unsichtbar? Weil das heutige
Denken gar nicht daran denkt,
sondern stets bemüht ist, (vor
allem wissenschaftlich) lediglich Erklärungen für
die Bewegungen in der Welt zu
liefern, statt die Seinsweisen der
Phänomene selbst einfach in
den Blick zu nehmen — d.h. hier:
die Wert-Form (_idea_, _eidos_,
Anblick) als Seinsweise. Für bloße
Erklärungen reicht es schon aus,
das faktisch Seiende
positivistisch in den Blick zu
nehmen, und all die modernen
Wissenschaften tun nichts anderes
als dies. Insofern sind sie alle
ohne Idee (_idea_,
_eidos_,
Anblick)!
Wenn nach der "Geburt einer neuen
Idee" gefragt wird, muß man (ich
allein?) bereit sein, nach dem
Menschsein selbst zu fragen, und
zu hinterfragen, ob der Mensch
geschichtlich auf immer und ewig
'selbstverständlich' Bewußtseinssubjekt (eine Erfindung des 17. Jh.)
bleiben muß. Wenn
er so bleibt, dann bleibt auch das
Miteinander dieser vereinzelten
Subjekte in der Welt
problematisch, d.h. eigentlich
nicht möglich. Kein Appell an die
Solidarität, kein Sollen, kann
dieses Manko jemals beheben. In
meiner erwähnten Blogpost, Wer
sind wir?, habe ich umrissen, daß
wir in erster Linie 'wir' sind,
weil wir alle, ob wir es wollen
oder nicht, ob wir es
wissen oder
nicht, an
der
dreidimensional-geschichtlichen
Zeit teilnehmen. Nur: diese "neue
Idee" ist nicht bekannt und kann
auch nicht bloß bei Heidegger
nachgelesen und von daher für den
Alltagsgebrauch kopiert werden.
(Bei Heidegger ist diese "Idee" so
auch nicht zu finden.) Vielmehr
wird die "neue Idee" der
dreidimensionalen Zeit gar nicht
zur Kenntnis genommen. Wo sie
nicht bloß ignoriert wird, wird
sie mit der List der
institutionalisierten Philosophie
mit großem Unverständnis abgetan.
Schließlich ist diese degenerierte
Philosophie in unserem
positivistischen Zeitalter da, um
den Status quo von Willy P. und
Pleon Exia (s. die nachfolgende Post) frag-los
aufrechtzuerhalten. Sie hat rein
apologetische Funktion und darf
sich mit ihrer harmlosen Ethik
weiterhin beschäftigen, denn diese
stört nicht!
Daß die menschliche Psyche sich
als der dreidimensionalen
Zeit
zugehörig, und
daß wir
Menschen nur
durch diese
Zugehörigkeit
Menschen sind,
ist eine "neue
Idee", die der
langen individuellen wie auch
geschichtlichen
Einübung
bedarf. Wir
sind heute
dieser Idee gar
nicht
gewachsen, und
heute können
wir nicht
voraussehen,
wohin diese
"neue Idee" führen
könnte, wie die Welt durch diese einfache aber radikale Idee dann völlig anders aussehen würde. Genauso legt
die
Entschleierung
des
verdinglichten
Werts als
Vergesellschaftungsmedium
den Blick frei
für das freie,
d.h. das
zeitlich
dreidimensionale,
wirkkausal
unbeherrschbare,
gegenseitige
Wertschätzspiel,
das keinerlei
moderne
Wissenschaft
jemals wird
sehen können.
Auch nicht die
Ethik. Warum?
Weil der unbedingte
Wille zur
Macht über
jedwede Art
der Bewegung
mit der von
Aristoteles
ererbten
eindimensionalen
Zeit
notwendigerweise
einhergeht, in
deren Idee
(_eidos_,
Anblick) wir
heute noch
alle frag- und
schmerzlos
stecken. Die
Bewegungsart
des Wertschätzspiels
in der
dreidimensionalen Zeit als solche bleibt damit noch lange für uns
unbekannt und
unsichtbar.
14 February 2021
Die Frage nach der Vergesellschaftung
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