29 March 2020

Wer bin ich?

"Eine eigentümliche, fast unheimliche Glanzlosigkeit liegt um seine Gestalt und seine Regierung. Wie sein Gewand, so war dieser ganze Mensch: grau, farblos, abgetragen, unansehnlich, unrepräsentativ. Seine vielgerühmte „Schlichtheit" hatte ihre Wurzel teils in schlauer Berechnung, einem Werben um Lesebuchsympathien, teils in Kleinlichkeit und Geiz, teils in einem völligen Mangel an Temperament. Er war eine vollkommen amusische Natur, ohne Verständnis oder auch nur Sympathie fur die Künste, gegen die Dichter seines Hofes knauserig und sie nur so weit fördernd, als er in ihnen eine „gute Presse" witterte, wie er denn überhaupt alle Menschen nur unter dem Gesichtspunkt seines persönlichen Vorteils ansah, den er ebenso vorsichtig zu erspähen wie energisch festzuhalten wußte: der Prototyp des biegsamen und zähen, fischblütigen und gewalttätigen, versierten und skrupellosen selfmademan. Römisch war er aus reiner Politik, weder aus Frömmigkeit noch aus Überzeugung, auch nicht aus Bigotterie: denn in diesem engen Herzen hatte nicht einmal der Fanatismus Platz. Er war, wie alle Geschäftsleute, sehr peinlich um den äußerlich guten Ruf der Firma besorgt, was ihn natürlich nicht hinderte, überall, wo es sich vertuschen oder beschönigen ließ, zu den gröbsten Unredlichkeiten und Brutalitäten zu greifen und bei jeder passablen Gelegenheit zu schnorren und zu erpressen. Sehr treffend sagt Johannes Scherr von ihm, daß er heutzutage wahrscheinlich an der Börse gespielt hätte wie Louis Philipp. Er erinnert auch darin an einen modernen Finanzmann, daß er die typische Börsianersexualität besaß, jene grobe Form der Geilheit und Potenz, die bei großen Geldmännern sehr häufig angetroffen wird." (C.H. Beck, München 1969 S. 149)

2 comments:

  1. ?? Interesting but my German isn't good enough to understand it all...

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  2. whom is this originally referring to?

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